Die Zerstörung von Malerei durch Malerei
Ein Text zur Serie "grau" von Christian Ochsner
Malerei hat viele Gesichter, ihre Bildsprache ist gegenständlich oder abstrakt. Gemalte Werke zeigen vielfach farbenfrohe Realitätsabbilder, seltener erscheinen sie dem Betrachter im kontrastreichen Schwarzweiss.
Der Basler Maler Christian Ochsner wählt diese zunächst unvereinbar wirkende Vielfalt des malerischen Könnens, um Alltagsobjekte und Landschaften zu verbildlichen. Es sind Motive der Vergänglichkeit wie der tierische Schädel, ein noch nicht angebissener Apfel oder ein unbesetzter Stuhl, die als Stillleben erscheinen. Nicht zu selten verlässt der Kunstschaffende sein Atelier und nützt selbst aufgenommene Fotografien von der Natur als Inspirationsquelle für neue Werke. Doch wird das mit dem eigenen Auge farbig Gesehene für die Komposition auf der Leinwand konsequent in Graustufen umgedeutet. Mit der Graumalerei betont Ochsner nicht nur die Essenzen des Gesehenen, Wahrgenommenen oder Empfundenen, sondern gibt dem Betrachter ein anregendes Gerüst für eine imaginär-visuelle Erweiterung des Dargestellten.
Die Grisaillebilder dienen dem Kunstschaffenden als Grundlage, die er für die Bildvollendung in einem zweiten Schritt mit einem performativen malerischen Akt in eine andere Dimension katapultiert. Bunte abstrakte Pinselspuren aus Ölfarbe überdecken mit pastosem Farbauftrag Teile der bereits grau gemalten Alltagsbilder, die beiden Stile konkurrieren durch ihre unterschiedliche Ästhetik miteinander.
Die Geschichte der Malerei ist nicht nur ein stets sich wandelndes Abbild der Zeit, sondern sie hinterfragt die Ästhetik und das Verständnis des Mediums an sich. Betrachtet man die Ölmalerei von Ochsner, so erscheinen die bewusst unterschiedlich eingesetzten Malstile als eine jahrelange künstlerische Auseinandersetzung. In der Serie "grau" manifestiert sich kein bestimmter wiederkehrender Bildinhalt, vielmehr liegt der Fokus auf die Untersuchung des malerischen Aktes durch Dekonstruktion an sich. Der spontane, irrationale, vom Instinkt geleitete abstrakte Pinselstrich übermalt das rational erarbeitete Gegenständliche. Hier negiert nicht nur Abstraktion das naturalistische Abbild, sondern das Credo >Malerei muss zerstört werden, damit sie in neuer Form entstehen kann< wird gelebt.
Die aktuellen Werke von Christian Ochsner regen an, Malerei nicht nur als eine von der Vernunft geleitete Materie zu betrachten, sondern verdeutlichen, dass die künstlerische Weiterentwicklung gerade durch den intuitiven Akt des Übermalens und des künstlerischen Kontrollverlustes liegen kann.
Text verfasst von der Kunsthistorikerin Ana Vujic, 2016